"Variable Zinsen sind eine Form der Spekulation. Das kann gut und schlecht ausgehen."
Robert Holzmann
OeNB-Gouverneur
Das bestätigt auch Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Er bezeichnete die Debatte um variable Wohnkredite als "Themenverfehlung". Die Menschen, die einen Wohnkredit aufnehmen, weil sie sich eine Eigentumswohnung oder ein Haus leisten können, stammten "aus der Mitte der Gesellschaft" und würden über Sicherheiten verfügen. "Das sind nicht die Ärmsten." OeNB-Gouverneur Robert Holzmann meinte dazu: "Variable Zinsen sind eine Form der Spekulation. Das kann gut und schlecht ausgehen."
Doch wie geht es nun bei Immobilienkäufen in der neuen Situation weiter?
Zu allem Überfluss traten vor einem Jahr verschärfte Kreditvergaberichtlinien für Immobilienkäufe (KIM-Verordnung) in Kraft. Sie sehen etwa eine mindestens 20-prozentige Eigenkapitalquote vor, die Rückzahlungen dürfen 40 Prozent des Einkommens nicht übersteigen. Auch die Laufzeit wurde begrenzt. Diese Werte müssen strikt eingehalten werden, auch wenn sie schon bisher als Richtwerte bei vielen Banken galten.
Die Folge: Es können sich nun immer weniger Menschen Eigentum leisten und sei es nur, weil einer der Grenzwerte knapp verfehlt wird. Wer es dennoch schafft, steht vor dem Problem, dass Geld jetzt wieder teurer ist und die Raten entsprechend höher sind. Darauf kann man mit einem Fixzinskredit reagieren oder man bleibt bei variabler Verzinsung.
Zinsdeckel bei Krediten mit variablen Zinssätzen
Für Kredite mit variablen Zinssätzen könne man bei den meisten Banken einen Zinsdeckel vereinbaren, erklärt WU-Experte Stefan Pichler. Das sei zwar etwas teurer, aber es gebe das Produkt und es wird laut Pichler auch durchaus nachgefragt. Auch Kredite mit reinem Fixzinssatz seien in der Regel etwas teurer, aber "bei Weitem nicht so viel, dass sie so unattraktiv wären, dass man keinen abschließt". Aktuell seien Fixzinskredite "gleich teuer, wenn nicht sogar billiger als variable Kredite", sagt der WU-Experte. Generell komme das aktuelle Zinsniveau eher einer Normalisierung gleich. Eine Hochzinsphase sieht der Bankenkenner nicht. Diese Einschätzung hörte man in Finanzkreisen zuletzt öfter. Manche gehen davon aus, dass der Zinshöhepunkt schon erreicht ist und es eher abwärtsgehen wird, auch wenn alle demnächst noch mit mindestens zwei Zinsschritten der EZB rechnen.
Dem Vorschlag von OeNB-Gouverneur Holzmann, Wohnkredite für die ersten fünf bis zehn Jahre der Laufzeit immer mit einem fixen Zinssatz zu vergeben, steht Pichler zurückhaltend gegenüber. Eine Verpflichtung dazu ginge "in Richtung Überregulierung". Hinter dem Vorschlag stehe aber eine gute Idee, sagt Pichler. Denn Rückzahlungsschwierigkeiten bei Krediten würden sich nach drei bis vier Jahren nach dem Abschluss häufen und ein fixer Zinssatz zu Beginn eines Kredits würde dieses Risiko etwas rausnehmen.
In Österreich sind derzeit 42 Prozent der Wohnkredite variabel verzinst. 52 Prozent sind gemischt verzinst, also mit fixem und variablem Zinssatz. Nur sechs Prozent sind rein fix verzinst, geht aus Daten der Oesterreichischen Nationalbank hervor.
Infina rät zu Fixzinssätzen bei Wohnbaukrediten
Zu Fixzinssätzen rät jedenfalls das unabhängige Finanzberatungsunternehmen Infina. "Für 2023 sind noch drei Sitzungen des EZB-Rates geplant, in denen über mögliche weitere Leitzinserhöhungen entschieden wird. Nach dem kürzlich abgehaltenen internationalen Zentralbanker-Symposium in Jackson Hole zeichnen sich zusätzliche Zinssteigerungen ab", warnt Christoph Kirchmair, Gründer und CEO von Infina. Zwar empfänden nicht alle Kreditnehmer die in jüngerer Vergangenheit gestiegenen Kreditraten als problematisch, doch im Vergleich zu Deutschland sei die Situation in Österreich auffällig. Während der Anteil variabler Wohnbaukredite in Deutschland von 2018 bis 2022 zwischen 9,7 Prozent und 11,8 Prozent lag, waren es in Österreich zwischen 37,6 Prozent und 43,5 Prozent.
"Infolgedessen sahen sich innerhalb der letzten 18 Monate rund 500.000 österreichische Haushalte mit merklich höheren Kosten konfrontiert - eine zusätzliche Belastung in Zeiten signifikant steigender Energie- und Lebensmittelpreise", sagt Kirchmair. "Auch in Zeiten äußerst günstiger Wohnbaufinanzierungs-Konditionen haben wir unsere Kunden intensiv über verschiedene Zinsmodelle und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt. 2021 und 2022 entschieden sich 78 Prozent der Kunden für einen fixen Zinssatz oder wählten ein Produkt mit einer Zinsobergrenze.."
Einige Experten erwarten laut Kirchmair für die nächsten zehn Jahre einen durchschnittlichen Anstieg der Immobilienpreise in Österreich um weitere 6,9 Prozent pro Jahr. Ein Kredit mit Fixzinssatz verhindere potenziell noch höhere Kreditraten.
Variabel verzinste Wohnbaukredite prüfen lassen
In der aktuellen Marktsituation sollte das persönliche Kreditmodell daher unbedingt auf den Prüfstand gestellt werden. "Jeder Kreditnehmer mit einem variabel verzinsten Wohnbaukredit sollte sich im Rahmen einer qualifizierten Kreditberatung intensiv aufklären lassen, welche Optionen es am Markt gibt", rät der Experte.
Wesentlich weniger stark stiegen nämlich die Zinsen am langen Ende, da die Märkte ab dem Verlauf des kommenden Jahres bereits sinkende Zinsen einpreisen. Ein wirtschaftlicher Abschwung und rückläufige Inflationsraten nähren diese Erwartungen. Somit könnte man mit Fixzinsen besser aussteigen. Doch, wie schon Karl Valentin sagte: "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen."