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Kann man ohne Arbeit glücklich werden?

Aufs ganze Leben betrachtet eher nicht, meint Arbeitspsychologin Birgit Artner. Trotz aller Debatten über mehr Freizeit und Viertagewoche sollte man nicht vergessen: Arbeit kann Freude machen und Sinn stiften.

Arbeit kann Freude machen und Sinn stiften.
Arbeit kann Freude machen und Sinn stiften.

"Ob man ohne Arbeit glücklich werden kann, und das aufs ganze Leben gesehen, ganz ehrlich, ich weiß es nicht", sagt Birgit Artner, leitende Arbeitspsychologin beim Arbeitsmedizinischen Dienst (AMD) in Salzburg. "Eigentlich glaub ich eher nicht."

Fest steht: Arbeit kann unglücklich machen. Keine Arbeit aber macht noch unglücklicher. "Dass Langzeitarbeitslose häufiger unter Depressionen leiden und psychische Probleme haben, ist durch zahllose Studien belegt", so Artner. Zwar sei selbst im besten Job nicht jeder Termin gleich spannend oder jede Tätigkeit befriedigend. Arbeit aber sei zweifelsohne wichtig für die Gesundheit und das psychische Wohlbefinden - nicht nur wegen der vielen Zeit, die man damit verbringt. Arbeit gibt dem Alltag Struktur, ein Ziel, bringt Bestätigung, Erfolg und Selbstbewusstsein, man fühlt sich weniger isoliert. Allein die Gefahr, den Job zu verlieren, schadet dem Glücksempfinden.

Unternehmen müssen sich bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewerben

Fest steht aber auch: Arbeit verlor zuletzt für viele an Bedeutung. "Dass Arbeit in Verruf kommt, beobachten wir auch im AMD", sagt Artner. Der Arbeitsmedizinische Dienst berät Betriebe zu Mitarbeitergesundheit und -zufriedenheit. Diskutiert werde neuerdings viel über Forderungen von Arbeitnehmern, egal ob es um flexiblere Arbeitszeit, die Viertagewoche, Homeoffice oder mehr Freizeit gehe. "Es ist heute gang und gäbe, dass sich der Arbeitgeber bei seinen potenziellen Mitarbeitern bewerben muss, und nicht mehr umgekehrt." Gerade in der jüngeren Generation nehme die über Jahrzehnte oft sehr starke Identifikation mit dem eigenen Unternehmen ab. Der Wert der Arbeit werde nicht mehr als derart wichtig erachtet. "Für viele ist es nicht mehr ein so wichtiger Bestandteil ihres Lebens", meint Artner. Verstärkt habe sich dieser Trend in der Coronazeit. Die habe durch Lockdowns und Homeoffice auch die Arbeitswelt verändert.

"Die Frage ist, was die Bedeutung der Arbeit ersetzt", sagt Artner. In der Arbeit hätten viele bisher einen Sinn und Sinnhaftigkeit gesucht. Das sähen viele jetzt in der Familie, in mehr Freizeit, in der Erfüllung von Träumen wie einer Weltreise, mehr Zeit für Sport oder einem Ehrenamt. "Bleiben zwei Fragen: Ob man es sich finanziell leisten kann. Und ob das auf Dauer reicht. Jede Weltreise geht zu Ende und jedes noch so billige Hobby kostet Geld." Das werfe auch gesellschaftspolitische Fragen auf: Wenn jeder weniger arbeiten will, wer zahlt dann die Pensionen? "Unser Staat ist so aufgebaut, dass Gesunde für Kranke arbeiten und Junge, die arbeiten für die Älteren, die das nicht mehr tun."

Fixe Arbeitszeiten verlieren an Bedeutung

Immer mehr Firmen würden berichten, dass sie sich schwertun, Mitarbeiter zu finden, die auch bereit sind, Vollzeit zu arbeiten. Arbeit müsse man heute neu denken, glaubt Artner. Fixe Arbeitszeiten verlören an Bedeutung. "Haben große Konzerne noch vor einigen Jahren ihre E-Mails übers Wochenende bewusst abgestellt, um Mitarbeitern ungestörte Freizeit zu gönnen, so wird das jetzt wieder rückgängig gemacht." Viele wollten im Homeoffice und zwischen der Kinderbetreuung auch abends oder am Wochenende Arbeit erledigen.

Eine eindeutige Abgrenzung, was gut oder schlecht sei, gebe es kaum noch. So kämen manche mit Homeoffice wunderbar zurecht, seien strukturiert und gut organisiert und könnten damit eindeutig Beruf und Familie besser vereinbaren. "Andere dagegen gehen unter, weil sie sich mit Kinderbetreuung und Arbeit zugleich zu viel aufbürden." Da spielten viele Dinge mit, sagt Artner, "auch ob man zu Hause einen ruhigen Arbeitsplatz hat oder am Küchentisch sitzen muss".

Auch von der Viertagewoche könnten die einen mit mehr Freizeit profitieren. "Wer aber seine 40-Stunden-Woche in vier Tagen abarbeiten will, ist danach meist so erschöpft, dass er von dem gewonnenen freien Tag auch nichts hat."

Um sagen zu können, ob das ein kurzfristiger Trend sei und das Pendel wieder zu mehr Wert der Arbeit umschlage oder sich die Gesellschaft generell ändere, sei das Phänomen zu neu, meint Artner. Vorerst sei es ein Trend und nicht die Realität für die meisten Arbeitnehmer. "Es gibt noch viele, die einfach gern arbeiten", sagt Artner.

Die Generationen zusammenspannen

Andreas Reiter vom Zukunftsbüro glaubt an die nachhaltige Veränderung, weil die jüngere Generation Druck mache und diese eine starke Position habe. Denn der Arbeitskräftemangel wird bleiben, da die Zahl der verfügbaren Erwerbstätigen durch große Pensionierungswellen weiter abnehmen wird.

Weil zwischen Jung und Alt hier sehr unterschiedliche Wertehaltungen aufeinandertreffen, findet es Reiter wichtig, die Generationen im Betrieb in Projekten zusammenzuspannen. "Sonst bringt das richtige Spannungen."

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